Antonia Winkler und Jakob Tönnis aus dem S&P Jahrgang 26 reden im Interview mit dem DAAD über die nach wie vor erschwerten Bedingungen durch Covid-19. Die Beiden haben sich mit ein paar ihrer MitstipendiatInnen dazu entschlossen, die Flexibilität des Onlineunterrichts zu nutzen und einen Teil ihres Sprachstudiums von Thailand aus zu absolvieren. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren neben dem warmen Klima und dem asiatischem Essen auch der geringere Zeitunterschied nach Peking.
Warum habt ihr euch für das Stipendienprogramm entschieden?
Jakob: Seit ich 2018 im Rahmen des Doppelmasterprogramms der RWTH Aachen und der Tsinghua Universität für ein Jahr nach Peking ging, hat mich China nicht mehr losgelassen. Besonders beeindruckt hat mich die hohe Geschwindigkeit und Dynamik, mit der China sich entwickelt. Alles ist im ständigen Wandel, zudem haben viele Chinesen eine große Offenheit für neue Technologien. Mir war schnell klar: Ich möchte in meiner beruflichen Zukunft im deutsch-chinesischen Kontext arbeiten. Das „Sprache und Praxis in China“-Stipendium des DAAD ermöglicht mir, nach meinem Studium noch einmal intensiv Mandarin zu lernen. Außerdem bieten das Rahmenprogramm und das Alumninetzwerk eine gute Gelegenheit, sich mit Menschen auszutauschen, die selbst lange in China gearbeitet haben.
Antonia: Ich habe bereits im Bachelor mit dem Chinesischstudium begonnen und in diesem Rahmen ein Jahr an der National Taiwan University in Taipeh verbracht. Daraufhin war es mein Ziel, im anschließenden Masterstudium durch ein Doppelabschlussprogramm auch das chinesische Festland kennenzulernen und somit die Unterschiede zwischen Taiwan und dem Festland hautnah zu erleben. Nachdem dies im Zusammenhang meines Masters, mit welchem ich im März 2020 begonnen habe, pandemiebedingt jedoch nicht möglich war, habe ich mich stattdessen nach meinem Abschluss für das „Sprache und Praxis“-Programm des DAAD entschieden, um somit einerseits das Sprachstudium noch einmal intensiver fortzusetzen und andererseits eine erneute Chance zu erhalten, nach China zu reisen.
Welche Bedeutung hat das „S&P“-Alumninetzwerk für euch?
Antonia: Das „S&P“-Alumninetzwerk stellt für mich trotz des Onlinestudiums einen unerwarteten Vorteil dieses Stipendiums dar. Dadurch ist es uns als Stipendiatinnen und Stipendiaten möglich, mit vielen unterschiedlichen Leuten, welche von verschiedenen Erfahrungen im Zusammenhang mit China berichten können, in Kontakt zu treten. Somit können wir trotz der Tatsache, dass wir nicht nach China einreisen konnten, aus zweiter Hand mehr über das Land erfahren und uns für die Zukunft durch den Austausch mit erfahrenen „Chinaveteranen“ besser aufstellen. Ich persönlich bin auch immer wieder über die Vielzahl der verschiedenen Bereiche überrascht, auf die sich das „S&P“-Alumninetzwerk erstreckt. So ist in unseren (fast) wöchentlichen Talks des „S&P“-Rahmenprogramms, bei denen wir uns oftmals auch mit Alumni austauschen, für jeden und jede etwas dabei.
Jakob: Die „S&P“-Alumni begegnen uns einerseits in unseren virtuellen Unternehmensbesuchen, andererseits auch beim Alumniverein, dem „SP China Alumni e.V.“. Ein Highlight aus meiner Sicht war das diesjährige Alumnitreffen, welches zeitgleich in Berlin, Shanghai und Peking stattfand. Hierfür wurden wir als aktueller Jahrgang für ein Wochenende nach Berlin eingeladen und konnten viele neue Kontakte knüpfen. Der Austausch mit den Alumni ist sehr hilfreich, da die meisten natürlich schon viel Erfahrung gesammelt haben und in unterschiedlichsten Funktionen in Politik, Industrie und Wirtschaft tätig sind. Das Alumninetzwerk ist sehr aktiv, man kann einfach auf bestimmte Leute zugehen und es wird einem bei jeder Frage weitergeholfen.
Was nehmt ihr aus dem bisherigen Rahmenprogramm des DAAD mit?
Jakob: Das Rahmenprogramm wird von unserer Koordinatorin der DAAD-Außenstelle Peking, Melanie Späthe, organisiert. Circa alle ein bis zwei Wochen lernen wir unterschiedliche Menschen oder Unternehmen kennen. Hierbei werden auch die Interessen der Stipendiaten berücksichtigt. Im bisherigen Rahmenprogramm haben wir unter anderem den Bestsellerautoren Frank Sieren, den in China berühmten deutschen Internetstar „Afu“ Thomas Derksen, sowie verschiedene Topmanager deutscher bzw. chinesischer Firmen in China treffen können. Es ist immer wieder spannend zu sehen, wer sich alles für uns StipendiatInnen Zeit nimmt. Und gerade, weil die Treffen virtuell und in kleiner Runde stattfinden, lernt man die Menschen meist persönlicher kennen.
Antonia: Das Rahmenprogramm hat uns bisher viele unterschiedliche Einblicke in verschiedene Bereiche, welche mit China in Zusammenhang stehen, geboten. Der aktuelle „S&P“-Jahrgang besteht zum Großteil aus gerade graduierten oder bald graduierenden Studierenden, die bald in das Berufsleben einsteigen werden und nur in wenigen Fällen bereits Arbeitserfahrungen gesammelt haben. Das Rahmenprogramm ist sehr abwechslungsreich gestaltet, wobei wir neben unseren eigenen Fachrichtungen auch Einblicke in fachfremde Bereiche erhalten und somit einen Blick auf China aus unterschiedlichen Perspektiven erhaschen. Da sich an unser Sprachstudium ein sechsmonatiges Praktikum anschließt, können wir außerdem im Hinblick auf die Praktikumssuche von neuen Möglichkeiten erfahren und mit unterschiedlichen potenziellen PraktikumsgeberInnen in Kontakt treten.
„Remote“ Chinesisch studieren – geht das?
Antonia: Wie in jedem Onlinestudium können die Kurse zwar über Videoplattformen stattfinden, jedoch ist die Umsetzung dieser mit Vor- und Nachteilen verbunden. Den größten Vorteil bietet hier, meiner Meinung nach, unsere Unabhängigkeit von einem bestimmten Ort. Ich selbst habe mein bisheriges Onlinestudium teilweise in Deutschland, aber auch in Griechenland und Thailand verbracht. Dies ist natürlich eine gute Gelegenheit für mein persönliches Wachstum, trägt jedoch nur sekundär zum Chinesischlernen bei. Die Nachteile dieser Form des Unterrichts sind, dass ein Studium vor dem Computer aus meiner Sicht weniger abwechslungsreich ist und dass uns natürlich wichtige Erfahrungen, die man nur vor Ort in China machen kann, verloren gehen. Zwar habe ich in meiner Zeit an der Beijing Foreign Studies University bisher viele neue Vokabeln und Redewendungen gelernt, hatte jedoch bisher trotz regelmäßiger Tandemtreffen im Vergleich zum Leben in China weniger Gelegenheiten, diese anzuwenden. Dies möchte ich in den kommenden Jahren auf jeden Fall nachholen. Wichtig für das Onlinestudium ist, dass man sich einen Ausgleich zum tristen Alltag vor dem Computer schafft, um motiviert zu bleiben – in meinem Fall stellt dieser Ausgleich das Reisen dar.
Jakob: Ja, Chinesisch remote studieren ist möglich. Allerdings ist der Fortschritt, den man macht, stärker von der persönlichen Einstellung abhängig. Ohne Frage ist es alles andere als ideal, wenn man für das Sprachstudium nicht in China sein kann. In meinen Augen ist es wichtig, sich neben dem Kurs in seiner Freizeit mit möglichst viel „Chinesischem“ zu umgeben. Ich schaue mir beispielsweise gerne chinesischsprachige Youtube-Videos an (auch wenn ich dabei meistens alle 5 Sekunden auf „Pause“ drücken muss) und habe angefangen, mehr chinesische Musik zu hören. Außerdem habe ich mich in den letzten Monaten gezielt mit vielen chinesischen FreundInnen umgeben. Da war selbst meine Chinesischlehrerin in Peking erstaunt, wie schnell ich Fortschritte mache, obwohl ich gar nicht in China bin. Ich muss allerdings auch betonen, dass die Universität in China sehr kreative Wege gefunden hat, den Onlineunterricht lebendiger zu gestalten. Beispielsweise werden „Breakoutsessions“ genutzt, um in Kleingruppen mehr Redeanteil haben zu können, oder unsere Chinesischlehrerin nimmt uns – dem schnellen mobilen Internet in China sei Dank – per Smartphone auf einen Spaziergang durch Peking mit.