Auf Mission: Den wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und China fördern

Sandra Schulze kannte Peking schon aus ihrer Kindheit, bevor sie von 2006 bis 2007 mit dem „Sprache und Praxis“-Programm nach China reiste. Sie hat Internationale BWL in Berlin und Cambridge studiert und ihr Praktikum in der Verlagsbranche absolviert. Im Interview erzählt sie, was sie durch S&P gelernt hat und wie sich das Land in ihren Augen verändert hat.

Wo stehst Du aktuell?

Ich arbeite als Area Manager China bei Berlin Partner, das ist die Wirtschaftsförderung vom Land Berlin. Im Auftrag des Landes Berlin kümmern wir uns um Unternehmen, die neu in die Stadt kommen, und um die Firmen, die schon in Berlin sind.

Meine Aufgabe als Area Managerin ist es, zum einen die Berliner Unternehmen, die in China Geschäfte machen oder über einen Markteintritt nachdenken, mit verschiedenen Formaten zu unterstützen. Vor Corona sind wir zum Beispiel einmal im Jahr mit Berliner Start-ups nach China gereist. Auf der anderen Seite kümmere ich mich darum, chinesische Firmen in Berlin zu unterstützen.

Ich arbeite jetzt seit mehr als zehn Jahren bei Berlin Partner. Es ist nach wie vor meine Mission, dass Berliner Unternehmen zum Beispiel mehr darüber erfahren, welche Innovationen es in China gibt.

Was hat Dich dazu bewegt, Dich für das Stipendium zu bewerben?

Ich fand die Idee reizvoll, dass man schon einen Studienabschluss hat und dann durch das Programm noch mal die Möglichkeit hat, Länderkompetenz auszubilden.

Ich wusste ja schon, dass Chinesisch keine Sprache ist, die man nebenbei lernt. Während des Studiums hatte ich schon mal ein halbes Jahr lang Praktikum in Shanghai gemacht – da habe ich immer wieder probiert, nach der Arbeit Chinesisch zu lernen. Aber das hat natürlich nicht so gut geklappt. Deswegen hatte ich den tiefen Wunsch, mich intensiv mit dem Land auseinanderzusetzen.

Für mich war dann das „Sprache und Praxis“-Programm die ideale Möglichkeit. Ein wichtiges Argument war für mich nicht nur die Sprache, sondern auch das Netzwerk, das man durch Termine vor Ort aufbauen konnte. Auch innerhalb der Gruppe konnte ich andere spannende Leute treffen.

Du hast in Deiner Kindheit in China gelebt. Erzähl mal.

Ich bin 1981 mit einem halben Jahr nach China gekommen, weil mein Vater für die DDR-Botschaft gearbeitet hat und meine Mutter für die Handelspolitische Abteilung. So hieß das in der DDR, heute wären das die AHKs (Auslandshandelskammern).

Ich war knapp zehn, bis ich mit meiner Familie wieder nach Deutschland gezogen bin. Ich kann mich noch gut an die Zeit in Peking erinnern. Wir haben in Sanlitun in Chaoyang gewohnt, in dem diplomatischen Viertel gleich in der Nähe von Liangmaqiao. Das war quasi das Ende der Stadt, hinter dem dritten Ring hat die Stadt aufgehört. Damals war noch das Kunlun Hotel das modernste Gebäude.

Auch das Straßenbild sah natürlich ganz anders aus als heute: viel mehr Fahrradfahrer, viele hatten diese grünen oder blauen Steppjacken an, viele sahen gleich aus. Es war natürlich ein ärmlicheres China. Und Ausländer waren nicht so normal wie heutzutage.

Das haben wir auch gesehen, wenn wir am Wochenende aus der Stadt rausgefahren sind, zum Beispiel in ein umliegendes Dorf, zwei Stunden von Peking entfernt. Da haben uns die Leute teilweise angeschaut, als wenn sie zum ersten Mal einen Ausländer gesehen hätten. Mein Bruder und ich hatten zu der Zeit noch hellere Haare – und wir waren zu zweit. Da haben viele gesagt: „Oh, zwei Kinder!“

Du kanntest China also schon. Was hat dich noch an dem Land gereizt?

2003 hatte ich schon mal ein halbes Jahr Praktikum in Shanghai gemacht, weil ich mir nach den Erfahrungen aus meiner Kindheit China unbedingt noch mal neu angucken wollte.

Es haben mich so viele Sachen gereizt: zum einen diese Dynamik, dieser „Alles ist möglich!“-Spirit. Das Motto lautete: „Es ist auch okay, wenn mal Fehler passieren, aber lass uns lieber Sachen ausprobieren, statt erst mal jahrelang zu beraten und es dann doch nicht zu machen.“

Mich hat auch der Mut beeindruckt. Zu der damaligen Zeit war viel Kreativität und Aufbruchgeist in der Bevölkerung zu spüren. Es war einfach eine sehr positive Stimmung, damals.

Damals. Was hat sich seitdem verändert?

Es ist schwierig für mich, jetzt aus erster Hand darüber zu reden, weil ich seit drei Jahren nicht mehr in China war. Gerade in diesen drei Jahren ist unheimlich viel passiert.

Aber ich kann noch sagen: Als wir unsere Praxiszeit in China hatten, vor Olympia, gab es kulturelle und kreative Freiräume. Rund um Peking gab es Künstlerdörfer, wo auch ganz klar zwischen den Zeilen Kritik möglich war. Im Lokaljournalismus konnte auch kritisch über bestimmte Skandale berichtet werden. Es schien damals einen Trend zu mehr Offenheit zu geben.

Aber danach schien der Spielraum für vieles enger zu werden, die Menschen hatten mehr Bedenken, Dinge anzusprechen. So bekomme ich es seit 2012 durch Reisen mit – und seit ein paar Jahren aus der Ferne.

Inwiefern hat Dich S&P noch weitergebracht? Was macht den besonderen Charakter des S&P aus?

Vor dem Programm hatte ich schon zwei Jahre lang gearbeitet. Für mich war es daher großer Luxus, mir noch mal Zeit zu nehmen, um die Sprache zu studieren. Das war ein Geschenk für mich, das noch mal zu dürfen und auch finanziert zu bekommen. Ich glaube, direkt nach dem Studium hätte ich das gar nicht so wertgeschätzt.

Abgesehen von der Sprache konnte ich durch das Programm einen ganz anderen Einblick bekommen. Ich konnte lernen, wie die deutschen Institutionen in China arbeiten, wie die deutsch-chinesische Zusammenarbeit läuft, weil wir die AHKs besucht haben, die GTAI (Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing), die deutsche Botschaft, deutsche Unternehmerinnen und Unternehmer in China. Diese Eindrücke waren sehr wertvoll.

Wir haben auch Reisen nach Shenyang und Dalian gemacht, die unsere Koordinatorin für uns organisiert hatte. Dadurch habe ich noch mal ganz andere Kontakte als vorher knüpfen können.

Woran erinnerst Du Dich noch am liebsten aus Deiner S&P-Zeit zurück?

Da gibt es so viele Momente. Am lustigsten war: Wir hatten eine Parallelklasse, die neben uns ihren Klassenraum hatte. Das waren Polizisten aus sozialistischen Freudschaftsländern, sie kamen aus Laos und Nordkorea. Gegen die haben wir immer Fußball und Tischtennis gespielt. Aber sie konnten nicht so gut Chinesisch, deswegen war die Kommunikation mit ihnen immer witzig.

Für mich war zudem ein ganz großes Highlight, als ich in den Winterferien zwischen den zwei Semestern mit einer Freundin aus dem S&P-Jahrgang einen Monat lang mit dem Rucksack durch Yunnan gereist bin. Wir waren in Kunming und ganz im Norden, auch ganz im Süden, wir haben uns wirklich Zeit genommen, die ganze Provinz kennenzulernen. Und Yunnan ist ja so vielseitig, die Menschen, die Religionen, das Essen, die Sprachen, die Natur. Es war eine wunderschöne Reise. Zu dem Zeitpunkt konnten wir auch schon recht gut Chinesisch und wir haben viele tolle Sachen erlebt.

Sandra, vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Mona Fromm.