Zeit, Geld und die Möglichkeit, etwas neues zu lernen

Andreas Fruhmann ging nach dem VWL Studium mit zwei Jahren Berufserfahrung 2006 nach Peking und blieb dort für einige Jahre bei einem Joint Venture von Bayer. In einem umfassenden Interview beschreibt er die Vorzüge des S&P Programms, für wen es sich eignet und wie seine Zeit in China ihn beeinflusst hat.

Wo stehst Du aktuell?

Ich leite derzeit ein Team im zentralen Controlling von Covestro in Leverkusen. Seit 10 Jahren bin ich mit meiner chinesischen Frau verheiratet, wir haben einen Sohn.

Was hat Dich dazu bewegt, Dich für das Stipendium zu bewerben?

Ich wollte meiner damaligen Partnerin nach Asien folgen. Gleichzeitig wollte ich nach knapp zwei Berufsjahren nochmal etwas erleben. Die Vielfalt und der Umfang der gebotenen Unterstützung durch das Programm S&P hatten mich begeistert.

Was hat Dich an China gereizt?

Eine ganze Menge unterschiedlicher Faktoren. Dass es ein Entwicklungsland war – ich hatte noch nie in einem gelebt. Die Bedeutung des Landes für die Welt. Die intellektuelle Herausforderung durch die Sprache. Die bis dahin noch eher fremde chinesische/asiatische Kultur.

Wieso hast Du Dich für das relativ lange SP Programm entschieden und nicht etwas Kurzes, z.B. ein Austauschsemester gewählt?

Da das Programm einen tiefergehenden Einblick in das Leben in China zu vermitteln schien und mit Sprache und Praktikum ein rundes Paket bot. Durch die Dauer wird der „mentale Anker gelichtet“, es stellt eine echte Weiche/Neuorientierung dar.

Wie hat Dich SP verändert? Um welche Erfahrung hat Dich das Stipendium reicher gemacht?

Die erste Frage müsste man denke ich meinem Umfeld stellen. Aber ich denke ich bin deutlich ruhiger geworden, sensibler für indirekte Kommunikation, weniger regelgläubig, spontaner und flexibler. Allerdings ist das natürlich nicht ausschließlich dem Stipendium zuzuschreiben, sondern auch den folgenden Jahren in China und Asien. In jedem Falle war das Stipendium hierzu aber der Startpunkt.

Was macht den besonderen Charakter des SP aus?

Das erreichbare Sprachlevel. Das noch relativ große Netzwerk „Gleichgesinnter“ in China und Deutschland. Der im Leben seltene Luxus in gewissem Umfang einmal beides – „Zeit und Geld“ zu haben.

Wem würdest Du SP China empfehlen und warum?

Leuten mit echtem Interesse am Land und der Sprache ohne reine Karriereüberlegungen.

Was hast Du in der Zeit in China besonders vermisst? Gab es Dinge, die Du aufgeben musstest? Und welche Lösungen dafür hast Du gefunden?

Auf lange Sicht und mit zunehmendem Alter waren es Familie und Freunde in Deutschland welche ich am meisten vermisste. Für die eineinhalb Jahre der Programmdauer war das aber noch sehr überschaubar, denn es war für ausreichend Aufregung vor Ort gesorgt. Zudem kamen viele Besucher, für die mein Aufenthalt ein guter Grund für eine Chinareise war. Die meisten wollen aber dann nicht noch ein zweites oder drittes Mal das gleiche Ziel anreisen. Kulinarisch hatte ich mich sehr gut eingefunden, da vermisse ich nun eher in Deutschland einiges.

Wie hat SP Dein Leben als Berufseinsteiger geprägt und welche Chancen konntest Du durch das Stipendium nutzen?

Mein erster Job nach dem Stipendium war am Stadtrand von Peking in einem sehr „lokalen“ Setup. Hierbei haben mir meine Sprach- und auch meine kulturellen Kenntnisse massiv den Einstieg erleichtert und die Akzeptanz bei chinesischen Kollegen/Kunden/Lieferanten etc. erhöht. Das war für einen Ausländer praktisch schon ein Alleinstellungsmerkmal. Dadurch habe ich eine gewisse Sichtbarkeit auch außerhalb des Pekinger Standorts meines Arbeitgebers bekommen, welche mit Sicherheit nicht hinderlich war.

Welche Erfahrungen aus der SP Zeit haben Dich geprägt und wie?

Die herzliche Offenheit der Pekinger, die Unbedarftheit der chinesischen Bachelorstudenten an der Beijing Foreign Studies University, die zahlreichen Reisen durchs Land mit den einhergehenden positiven wie negativen Erfahrungen, das emotionale Auf und Ab in der fremden Umgebung und das Mitwirken an verschiedensten Events, zu denen ich nur durch meine Identität als (vielleicht auch chinesisch sprechender) Ausländer kam, zum Beispiel Fernsehshows, Werbeaufnahmen, Messen etc…

Wie hast Du eine Stelle für Deine Praxisphase gefunden und was war Dir für dieses Element wichtig?

Mein Praktikum fand bei einem kleinen Ableger von Bayer (heute Covestro) am Stadtrand von Peking statt, wo ich als Assistent der Geschäftsführung tätig war. Ich hatte mich für die Stelle entschieden, da sie Inhalte etwas fernab des typischen Praktikantenjobs bot, mit Erfahrungen aus erster Hand in einem deutsch-chinesischen Joint Venture inklusive der üblichen Konflikte. Die Location und mein Wohnort waren in einer Gegend ohne jedwede Ausländerpopulation, die Kollegen sprachen zumeist kein/kaum Englisch. Somit hatte ich viel Gelegenheit das Gelernte anzuwenden und gleichzeitig meine Sprach- und kulturelle Kompetenz auszubauen.

Hast Du heute noch einen Bezug zu SP – und wie sieht dieser aus?

Ja. Ich bin Mitglied in einer S&P WeChat Gruppe. Davon abgesehen nehme ich immer wieder gerne an diversen S&P Veranstaltungen teil, z.B. Jubiläumsfeiern oder gelegentlich Alumnitreffen. Mit einigen meiner Jahrgangskollegen bin ich auch heute noch befreundet. Zudem durften wir auch bereits drei Mal spätere Jahrgänge auf Firmenbesuch bei uns begrüßen.

Wenn Du an Deine persönliche Situation denkst: Was war Deine ganz besondere Herausforderung in China/im SP Programm? Und was Dein ganz individueller Nutzen?

Anders als damals üblich durfte ich aufgrund rudimentärer Vorkenntnisse in eine internationale Klasse voller Koreaner und Japaner. Da die alle schon Zeichen konnten, musste ich deutlich mehr Arbeit in den Spracherwerb stecken um mithalten zu können. Dadurch hatte ich am Ende des 2. Semesters nach dem alten HSK-System Level 8 erreicht (von 11), ein guter Startpunkt für die Zeit nach der Uni.

Das Stipendium zielt darauf ab, in die Ausbildung wirtschaftlichen Nachwuchses für China zu investieren. Was genau macht es aus Deiner Sicht so wirksam? Wieso funktioniert das so gut?

Zunächst mal sorgt der DAAD in seinem Auswahlverfahren natürlich für geeignete Kandidaten. Gerade in den ersten Jahrgängen musste man zudem eine gute Portion Mut/Neugier/Abenteuerlust mitbringen – per se schon mal keine schlechten Eigenschaften für den wirtschaftlichen Nachwuchs. Die Kombination aus Sprache, kulturellen Kenntnissen, einem großen Netzwerk sowie einem guten Überblick über das Geschehen im Land ist speziell, aber nicht nur für deutsche Arbeitgeber im Land sehr hilfreich.