“Geht Euren Weg mit Freude, vernetzt Euch und lasst Euch nicht entmutigen!”

Prof. Dr. Katrin Blasek ist Volljuristin und schrieb nach ihrem DAAD-Chinaaufenthalt mit Sprache und Praxis im Jahr 2000 ihre Doktorarbeit zum chinesischen Recht. Sie arbeite als Juristin und Rechtsanwältin in China und Deutschland und wirkte als Expertin für chinesische und deutsche Institutionen und Ministerien. Während ihrer Promotionszeit an der Universität Freiburg i.Br. leitete sie gemeinsam mit weiteren Doktorandinnen das Programm „Justitia Mentoring – Das Frauen Mentoring-Programm“. Sie ist Mitglied des Vorstands der deutsch-chinesischen Juristenvereinigung. Als Rechtsprofessorin lehrte sie rechtsvergleichend auch das chinesische Recht. Ihre heutigen Schwerpunkte sind das IT-, Medien- und Datenschutzrecht. Von 2017 bis 2019 war sie Gründungspräsidentin von SP China Alumni, dem Verein der Alumni von Sprache und Praxis in der VR China. Sie hat zahlreich auf den Gebieten des chinesischen Rechts, des IT- und Medienrechts und des Datenschutzrechts veröffentlicht. Melanie Späthe, stellvertretende Leiterin der Außenstelle in Peking, hat sie für den DAAD interviewt.

Was fällt dir als Erstes ein, wenn du an deine Förderzeit denkst? Warum hast du dich damals für das Sprache und Praxis Programm entschieden?

Mit Sprache und Praxis nach China zu gehen, dort die Sprache zu lernen und den Einstieg in den Beruf zu starten, war damals im Jahr 2000 noch eine außergewöhnliche Entscheidung – fast so etwas wie Auswandern. „Sowas machen nur Leute, die auf eine ganz besondere Art verrückt sind“, hat ein Freund mir damals gesagt – und er hatte Recht: Mir fallen, wenn ich an die Förderzeit zurückdenke, als Erstes die vielen außergewöhnlichen Menschen – Chinesen, Deutsche, Europäer – ein, die ich in dieser Zeit kennenlernen durfte. Ich kann sagen: Durch Sprache und Praxis in China habe ich ein weltweites Netzwerk mit einem Schwerpunkt in China und Asien.

Richterfortbildung im Auftrag der GIZ und chinesischen Richterakademie zum deutschen und chinesischen Verwaltungsrecht, Xi’an, 2006; Abgebildet sind die zwei DozentInnen, mittig die Übersetzerin und links und rechts teilnehmende Richter lokaler Gerichtshöfe.

Wusstest du schon während deiner Studienzeit, dass es nach China gehen soll?

Ich bin Sachen China vergleichsweise spät berufen. Ins Ausland zu reisen, die Welt zu entdecken, hat mich als Kind der DDR seit der Öffnung der Grenzen besonders gereizt. Das Faszinosum „Volksrepublik China“ habe ich durch ein Praktikum in der Auslandshandelskammer in Shanghai entdeckt. Die Dynamik und die Lebensfreude der Menschen dort haben mich vom ersten Tag an gepackt. Davon wollte ich mehr kennenlernen, mehr erleben. „Sprache und Praxis“ gab mir dann die Möglichkeit, viel tiefer und intensiver in das Leben und die Kultur Chinas einzutauchen.

Yellow Crane Tower Park, Wuhan, 2011. Das Foto entstand anlässlich eines Vortrags an der Wuhan University for Science and Technology.

Wenn du an deine Auslandsaufenthalte zurückdenkst: Gibt es Situationen, die dich besonders geprägt haben?

Besonders geprägt haben mich wohl die vielen Gespräche mit den Menschen, denen ich in China und im Zusammenhang mit China begegnen durfte – von der flüchtigen Begegnung im Bus oder in der Eisenbahn über die vielen Zusammentreffen beim Essen oder im Biergarten bis hin zu den formellen Terminen mit Geschäftsleuten, Wissenschaftlern und Offiziellen. Durch sie konnte ich mir ein sehr differenziertes Bild von China machen – und zugleich lernen: Jedes Bild, das man sich von China macht, ist schon überholt, sobald es zu Ende gedacht ist. Das Land verändert sich mit einem unglaublichen, manchmal halsbrecherischen Tempo.

Wie ging es bei dir beruflich nach dem Förderstipendium weiter? Du warst danach stark im akademischen Bereich tätig und hast auch chinesisches Recht gelehrt – hat dein Chinaaufenthalt dich dazu inspiriert?

Meine Promotion zum chinesischen Recht hat sich tatsächlich nahtlos ergeben aus meiner Tätigkeit in einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei in Beijing. Dieser Grundgedanke, der ja auch bei „Sprache und Praxis“ Programm ist, war mir immer wichtig: Man muss akademische Tätigkeit und berufliche Praxis zusammen denken! Die Berufspraxis zeigte mir auch immer wieder wie wichtig die Privatsphäre und ihre Durchsetzung in Zeiten des Internets ist. Entsprechende Rechtsfragen bilden denn auch seit Längerem einen Schwerpunkt in meiner Forschung und Lehre.

Prof. Blasek inmitten deutscher und chinesischer Wissenschaftler, die sich an der Renmin University Beijing 2004 zu einer „Conference on Intellectual Property Law“ trafen.

Darf ich so direkt fragen: Was war bisher dein interessantester Beratungsfall?

Da muss ich vage bleiben! Aber es gab – und gibt – zweifelsohne viele Gelegenheiten, bei denen ich helfen konnte, Beziehungen auf eine gute rechtliche Basis zu stellen, Konflikte zu einer guten Lösung zu bringen oder – in der Wissenschaft ganz wichtig – interessante und interessierte Menschen und ihre Expertise zusammenzubringen, sodass ein Funke überspringt.

Dein Weg führte irgendwann wieder nach Deutschland. Wie fühlte sich die Reintegration nach deiner Rückkehr an?

Nach einer längeren Zeit im Ausland fremdelt man naturgemäß immer etwas mit der Heimat, man hat fast einen „kulturellen Jetlag“ und fragt sich, warum Dinge so funktionieren, wie sie funktionieren. „Re-Integration“ erscheint mir aber doch ein zu großes Wort dafür. Denn ich habe mich nach der Rückkehr nach Deutschland sehr schnell zusammenfinden und vernetzen können mit Menschen mit einem weiten Horizont – Menschen, die selbst Erfahrung in anderen Ländern hatten, Menschen, die selbst neben Deutschland eine weitere Heimat haben, Menschen, die – wie ich – wissbegierig sind und fasziniert sind von der Vielfalt der Welt.

Was würdest du aufstrebenden Frauen gerne mit auf den Weg geben? Was sind deine drei Tipps?

Geht Euren Weg mit Freude, vernetzt Euch und lasst Euch nicht entmutigen! Das wären wohl ganz knapp gefasst die drei Leitgedanken, die ich Berufseinsteigerinnen an die Hand geben würde. Vor allem der Vernetzung messen viele Frauen viel zu wenig Bedeutung bei. Sie ist nicht nur völlig legitim, sondern auch essentiell, um zur richtigen Zeit, die richtigen AnsprechpartnerInnen oder FördererInnen zu haben. Und: Alle drei leite ich auch aus meinen Erfahrungen in China ab – zum Beispiel so: Das Sprachstudium kann einen schon zermürben, aber jedes neue Wort, jede Redewendung hilft bei der nächsten Begegnung, aus mancher Begegnung wächst eine Freundschaft, es knüpft sich ein Netzwerk aus Menschen, die sich gegenseitig helfen und unterstützen.