Virtuelles Auslandsstudium: Ein Interview

Seit dem 28. März dürfen keine ausländischen Studierenden nach China einreisen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das hat auch Auswirkungen auf die aktuellen deutschen DAAD-Stipendiatinnen und Stipendiaten; denn diese haben entweder ihr Auslandsvorhaben verschoben oder gingen das Wagnis ein, es vollständig online durchführen. Wir haben Stipendiatinnen und Stipendiaten des aktuellen „Sprache und Praxis“-Jahrgang zu ihren Beweggründen und Motivation befragt.

© Anna Zavdoveva.
Internationales Weihnachten zu Zeiten von Corona: die BFSU ist hier ebenfalls nur einen Blick aus dem Fenster entfernt.

Warum habt ihr euch für das Förderstipendium „Sprache und Praxis“ entschieden? Warum China?

Mona Fromm:

Ich wollte gern in China leben. Nachdem dieser Traum bisher noch nicht in Erfüllung gegangen ist, muss ich erwähnen, dass es natürlich noch andere Gründe gab. Ich wollte mir Zeit nehmen, um Chinesisch zu lernen, ich wollte meine volle Konzentration darauf lenken. Denn in diversen Sprachkursen zuvor hatte ich gemerkt, dass ich keine großen Fortschritte machte, wenn ich mich nur einmal die Woche damit beschäftigte. Um eines Tages in China arbeiten zu können, muss ich aber nicht nur die Sprache beherrschen – ein Netzwerk ist mindestens genauso wichtig. Deshalb erschien mir die Kombination aus Spracherwerb und Praxisphase perfekt. Land und Leute faszinieren mich seit bald zehn Jahren. Wenn sich China weiterhin so rasant entwickelt, möchte ich gern dabei sein.

Cedric Wagner:

Ich habe mich aus verschiedenen Gründen, die das Programm für mich attraktiv machen, für eine Teilnahme entschieden. Zunächst hat mir der Aufbau sehr gut gefallen, wo man im ersten Schritt bei seinen aktuellen Chinesischkenntnissen abgeholt wird und durch eine solide Sprachausbildung eine hervorragende Grundlage für den zweiten Teil des Programms gelegt wird. Fundierte Sprachkenntnisse eröffnen einem ganz neue Möglichkeiten, Zugang zu Land, Leuten und Kultur sowie nicht zuletzt auch der Arbeitspraxis zu erhalten, die man dann intensiv im Rahmen des Praktikums kennenlernt.

Das Programm ist in seinem Konzept einzigartig und wegweisend mit seinen fest verankerten Zielen: eine wichtige Lücke zu schließen durch eine Förderung des Austauschs mit China und dem Aufbau nachhaltiger Chinakompetenz.

Elias Kardel:

Der asiatische Kulturkreis hat mich schon mein ganzes Leben interessiert. Die erste Erfahrung mit dem Erlernen einer asiatischen Sprache hatte ich während eines Praktikums in Thailand. Es hat überraschend viel Spaß gemacht. Während eines Aufenthaltes in Taiwan habe ich dann festgestellt, dass auch das Erlernen der Chinesischen Sprache für Ausländer nicht unmöglich ist.

Der Erfolg muss allerdings hart errungen werden. In Deutschland fehlte mir dafür ein Rahmen. Das „Sprache und Praxis Programm“ kann ein solcher Rahmen sein. Die BFSU ist eine renommierte Universität mit außerordentlich engagierten und motivierten Lehrkräften. Durch das SP-Programm hoffe ich mein Chinesisch Sprachniveau auf HSK5 anheben zu können.

Darüber hinaus finde ich das begleitende Rahmenprogramm spannend und auch die Integration in das „Sprache und Praxis“-Alumni-Netzwerk nützlich. Auch wenn wir im Moment in Deutschland festsitzen, bin ich überzeugt, dass ein gelungener Berufseinstieg in China am ehesten über ein solches Netzwerk gelingen kann.

Das Förderprogramm beginnt mit einem intensiven Sprachkurs: Kann man Chinesisch digital lernen? Was findet ihr besonders spannend und herausfordernd?

Mona Fromm:

Definitiv kann man Chinesisch digital lernen. Die persönliche Kommunikation fehlt zwar – sowohl für den eigenen Fortschritt als auch für das interkulturelle Verständnis. Aber durch unser digitales erstes Semester haben alle Stipendiatinnen und Stipendiaten sicherlich eine gute Basis, um bald noch mehr Chinesisch zu sprechen und zu hören.

Was ich besonders spannend finde: Ich habe schon oft gehört, dass der Druck für chinesische Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten besonders hoch ist. Das habe ich nun sogar selbst gemerkt, obwohl ich von knapp 7800 Kilometern Entfernung studiert habe. Das ist eine Erfahrung, die ich nur machen konnte, weil ich an einer chinesischen Universität eingeschrieben bin. Sprachkurse in Deutschland sind vielleicht weniger anstrengend, vermitteln mir aber nicht diesen wichtigen Bestandteil der chinesischen Kultur.

© Mona Fromm
Übungen im Präsenzunterricht wie diese Bildbeschreibung wurden anhand einer PowerPoint-Präsentation gezeigt und erklärt. Danach hieß es: Notizen machen und die eigenen Sätze vortragen.

Cedric Wagner:

Das Jahr 2020 wird nicht nur als Jahr des Virus, sondern auch als Katalysator der digitalen Transformation in die Geschichte eingehen. Das Studium an der BFSU fügt sich als ein den Umständen entsprechend ausgereiftes und qualitativ äußerst hochwertiges Programm in diesen Kontext ein. Das erste Semester wurde vollständig digital umgesetzt und hat internationalen Studierenden aus einer Vielzahl unterschiedlicher Länder ein Sprachstudium ermöglicht. Als vorteilhaft hat sich dies herausgestellt im Blick auf digitale (moderne) Lehrmethoden. Beispielsweise wurden längere Texte üblicherweise als Word-Dokumente übermittelt, was die Lehrer bei der Korrektur unterstützt und aus Sicht des Lernenden positiv auf das Verständnis und den Ausdruck auswirkt. Verloren geht allerdings eine wertvolle Übung für das handschriftliche Schreiben, die unbedingt in Eigenregie nachgeholt werden sollte, und leider natürlich auch das chinesische Umfeld außerhalb des Unterrichts. Gemessen an den Lernfortschritten, die beim Sprachenlernen möglich waren, war das digitale Semester ein voller Erfolg.

Für Lehrkräfte und Studierende an der BFSU war das digitale Studium ein Novum, das mit einigen neuen Herausforderungen einher ging, sich allerdings dennoch als sehr spannend herausgestellt hat. Wie bei digitalen Veranstaltungen vermutet werden kann, treten im Laufe eines Semesters die meisten Dinge, die schief gehen können, mindestens einmal auf. Es hat allerdings in der Regel erstaunlich gut und einwandfrei funktioniert. Als eine größere Herausforderung hat es sich herausgestellt Gruppenarbeiten organisieren. Hinzu kommt, dass sich sowohl nach China als auch zwischen den Studenten untereinander eine Zeitverschiebung ergeben hat, die ebenfalls stets berücksichtigt werden musste. Meine Erfahrung war aber insgesamt eine sehr positive. Trotz der physischen Distanz und dem digitalen Kontakt war der Gruppenzusammenhalt herausragend und alle Beteiligten sehr offenherzig und nahbar.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die Lehrer im Laufe des Semesters unglaubliches geleistet haben. Sie waren durchweg, 7 Tage die Woche und fast rund um die Uhr erreichbar, und haben jede Frage sowie Abgaben in kürzester Zeit ausführlich beantwortet und korrigiert.

Elias Kardel:

Chinesisch ist auch digital erlernbar. Der Unterricht findet im Schnitt fünf Stunden pro Tag in Form digitaler Meetings statt. Allerdings bin ich froh, dass ich vorher bereits über ein Jahr in einem chinesischsprachigen Raum gelebt habe und ich deswegen den umfassenden Stoff gut in einen Kontext setzen kann. Im Chinesischstudium hat sich im Laufe des Semesters sehr viel Unterrichts- und Lernmaterial angesammelt; das ist sicherlich nicht nebenbei zu bewältigen. Dafür braucht es solch ein Programm, das einem die Möglichkeit gibt, sich vollständig auf sein Sprachstudium zu konzentrieren.

Welche Tipps habt ihr für das Erlernen der chinesischen Sprache?

Mona Fromm:

Ein Tipp ist, Filme und Serien auf Chinesisch zu gucken und chinesischsprachige Musik zu hören. Noch wichtiger ist der Kontakt mit Chinesinnen und Chinesen. Dabei ist es nicht schlimm, wenn wir Fehler machen, die Hauptsache ist, dass wir reden. Nur so kann daraus später eine flüssige Konversation werden. Zum Glück geht das auch von Deutschland aus, denn die meisten haben bestimmt eine Chinesin oder einen Chinesen in der Nähe, um ein lockeres Tandemprogramm zu starten. Wenn wir mit Chinesinnen und Chinesen chatten, ist es zudem ratsam, nicht immer die Pinyin-Tastatur zu verwenden, sondern selbst die Zeichen mit der Hand auf dem Handy zu schreiben. Generell sollten wir nicht vergessen, die Zeichen so oft zu schreiben, bis wir sie auswendig kennen und jederzeit abrufen können.

Cedric Wagner:

Chinesisch ist eine vielschichtige Sprache mit einer langen Geschichte und Tradition. Wie jede Sprache gliedert sich der Spracherwerb in verschiedene – komplementäre – Ebenen: Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben. Durch die großen Unterschiede zu den in Europa gesprochenen indogermanischen Sprachen, ist der Einstieg allerdings zunächst anspruchsvoller und erfordert mehr Einsatz. Ich halte alle genannten Ebenen hinsichtlich eines tieferen Sprachverständnisses für wichtig, abhängig von den eigenen Lernzielen können allerdings individuell Schwerpunkte gesetzt werden. Lernen allgemein und insbesondere Sprachen sollte man als Marathon verstehen und nicht als Sprint. Kontinuität mit am besten täglichen Lernsessions sind langfristig ein “Hebel” beim Erlernen der Sprache, den man nicht unterschätzen sollte. Sprache baut auf dem Wortschatz auf, weshalb man das Vokabellernen ernst, aber dennoch leicht nehmen sollte. Spannend wird es auch, wenn man dann Texte liest, die in etwa dem eigenen Niveau entsprechen und dabei immer wieder neue Worte und Ausdrücke dazulernt und beginnt ein Gefühl für die Sprache zu entwickeln.

Welche Tipps habt ihr an künftige Stipendiaten und Stipendiatinnen, die sich für das Programm entscheiden sollten?

Mona Fromm:

Seid fleißig und motiviert. Stellt viele Fragen – nicht nur zur chinesischen Sprache, sondern vor allem auch bei den Treffen mit Ehemaligen und Menschen, die bereits in China erfolgreich arbeiten. Nur so bekommt ihr einen realistischen Eindruck des Lebens vor Ort.

Cedric Wagner:

Künftigen Stipendiatinnen und Stipendiaten kann ich nur empfehlen von Beginn an den Kontakt zu den anderen Teilnehmern zu suchen und so oft es geht auch gemeinsame Treffen und Unternehmungen zu planen. Trotz sehr unterschiedlicher Hintergründe und Persönlichkeiten seid ihr unter euch mit absolut Gleichgesinnten. Diese Leidenschaft, das Interesse und nicht zuletzt auch das Verständnis für China, das ist etwas sehr Besonderes, das man im bisherigen sozialen Umfeld im Alltag normalerweise nicht antrifft. Nutzt von Beginn an die Gelegenheit, mit dem tollen Alumninetzwerk in Kontakt zu kommen. Gerade mit euren Vorgängern aus dem Vorjahr bieten sich jahrgangsübergreifende Treffen an, auf denen ihr euch über das Programm und eure persönlichen Erfahrungen austauschen könnt. Das Programm hat eine klar vorgegebene Struktur, die aber letztendlich lediglich ein Gerüst darstellt. Seid offen für die vielen unvorhergesehenen und außergewöhnlichen Erfahrungen. Lasst euch ein auf das Abenteuer “China”, das mit einer wundervollen Sprachreise beginnt.

Vielen herzlichen Dank für eure Einblicke! Wir wünschen euch noch viel Erfolg.

Das Gespräch führten Melanie Späthe, Programmkoordinatorin des „Sprache und Praxis Programms“ in der V.R. China und Mona Fromm, Cedric Wagner und Elias Kardel

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