Frank Eichel studierte Maschinenbau und Fertigungstechnik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, bevor er 1996 mit dem ersten Jahrgang von Sprache und Praxis nach Peking ging.
Dort stieg der Diplomingenieur bei NHSP, einem Joint Venture in Nanjing, bei der Firma Bosch ein, für den er bis heute arbeitet. Für sein Unternehmen ist er in verschiedenen Ländern der Welt und immer wieder auch in China selbst tätig.
Gerade befindet er sich auf einer ungewöhnliche Anreise an seinen neuen Arbeitsplatz in Shanghai. Zusammen mit seiner Tochter ist er auf dem Landweg unterwegs von Prag nach Shanghai, wo er ab Oktober leben und arbeiten wird.
Frank, kann es sein, dass Du ein Abenteurer bist? Als 1989 die Mauer fiel, bist Du mit einem One-Way-Ticket nach Detroit gereist. Sechs Jahre später betrittst Du als Sprache und Praxis Stipendiat der ersten Stunde Neuland und gehst für zwei Jahre ins Land der Mitte. Und diesen Sommer gehst Du für Dein Unternehmen wieder nach China. Statt einen Flieger zu besteigen, nimmst Du das Motorrad. Was bewegt Dich zu solch mutigen Schritten?
In den Positionen, in denen die meisten von uns arbeiten, haben wir anspruchsvolle Aufgaben und Ziele. Jeder einzelne Tag fordert uns. Um das zu meistern und dauerhaft erfolgreich zu sein, braucht man genügend Energie, Motivation und Leidenschaft. Das geht an die Substanz und auf Dauer an die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft.
2013 ging ich nach acht Jahren China wieder nach Europa. Für meinen Wechsel nach Tschechien habe ich mir drei Monate Pause gegönnt. Das war perfekt, um richtig abzuschalten: die alten Aufgaben abgegeben und für neue Aufgabe noch nicht verantwortlich sein. In dieser Auszeit konnte ich die Akkus wieder richtig aufladen. Diese Erfahrung war sehr positiv für mich und ich war bereit für die nächste Station in Tschechien. Ja, und mein neuer Job in China wird mich wieder fordern. Da sind die Wochen auf dem Motorrad eine gute Basis, um wieder „vollgetankt“ starten zu können.
Für mich ist diese Tour jetzt eine Art Vorbereitung auf die neue Herausforderung – Abzuschalten, Altlasten von der Festplatte zu entfernen und die Batterien wieder aufzuladen und dann wieder mit maximaler Leistungsfähigkeit an die neue Aufgabe zu gehen.
Als Ingenieur konntest Du Dich Ende der 90er als China-Kenner sicher kaum vor Angeboten retten. Wie würdest Du die Situation seinerzeit beschreiben und welche Chancen ergaben sich dadurch für Dich?
Damals waren die Jobaussichten für Maschinenbau Ingenieure in der Tat nicht schlecht. Ich habe mich nach dem Studium parallel zur Jobsuche trotzdem beim DAAD für S&P1 beworben. Mir war damals schon klar, dass China mittel- und langfristig eine wichtige Rolle spielen wird.
Nach einigen Zusagen von verschiedenen Firmen habe ich mich dann für eine Stelle bei einer Siemens Tochtergesellschaft entschieden. Das mit dem Stipendium war ja noch in weiter Ferne und relativ unwahrscheinlich das ich dort einen Platz bekomme. Nach ein paar Monaten kam dann doch die Zusage für China. Für mich war klar, dass ich mir diese Chance nicht entgehen lassen wollte und so habe ich zugesagt. Das war mit Sicherheit die beste Investition in die Zukunft. Vermutlich wäre ich heute nicht Bereichsleiter und würde auch nicht in einem so internationalen Umfeld arbeiten.
Das Stipendium war mit Sicherheit meine beste Investition in die Zukunft.
S&P1 hat meine berufliche Entwicklung sehr stark geprägt. Ohne meine bisherigen Erfahrungen aus S&P1 sowie meiner langjährigen China Erfahrung hätte man mir die neue Herausforderung in einem riesigen Bosch Joint Venture bestimmt nicht angeboten.
Die Erfahrungen aus dem Stipendium wurden wesentlicher Teil des Fundaments, auf dem ich aufbauen konnte. Das zieht sich bis heute durch. Ein ausgezeichnetes Netzwerk und Kontakte spielen auch heute noch eine wesentliche Rolle, um in China erfolgreich zu sein.
Noch etwas war ungewöhnlich. Als einer der wenigen Stipendiaten hast Du die Möglichkeit genutzt, mit Deiner Familie nach Peking zu gehen*. Kannst Du das weiterempfehlen?
Ja, dazu kann ich jeden nur ermuntern. Es muss allerdings passen. Voraussetzung ist, dass der Partner eine positive Einstellung zu neuen Dingen und einem veränderten Umfeld mitbringt. Der Partner muss das auch als Bereicherung und nicht als Pflicht sehen; sonst funktioniert es nicht.
*Anmerkung der Redaktion: Im Rahmen des Graduiertenstipendiums wird den Stipendiaten auch die Mitnahme der eigenen Familie ermöglicht. Die aktuellen Regelungen und Konditionen für Familienmitglieder erfragt bitte beim DAAD direkt.
China scheint Dich nicht los zu lassen. Neben Zeiten in Nordamerika und Tschechien gehst Du aktuell wieder nach China. Wie zeigt sich das riesige Reich heute im Vergleich zum Start des Jahrtausends?
China hat sich natürlich vielen Dingen signifikant verändert. Damals war das für mich etwas Exotisches, etwas Besonderes, etwas Spezielles, etwas Spannendes dort die Sprache zu lernen und auch anschließend zu arbeiten. Heute sehe ich das mit Abstand, vieles hat sich dort weiter entwickelt und auch ich habe aufgrund meiner beruflichen Erfahrungen eine etwas andere Einstellung dazu bekommen. Ich sehe das natürlich weiterhin positiv und kann es auch jedem empfehlen. Für mich ist jedoch China und das Arbeiten in China sowie mit den Chinesen einen bestimmten Grad zur Normalität geworden.
Du selbst hast an vielen Orten gearbeitet und gelebt. Ist China ein Sehnsuchtsort? Braucht man hin und wieder Abstand? Wie würdest Du Deine Einstellung zum Reich der Mitte beschreiben?
China hat viele gute und mit Sicherheit auch viele nicht so gute Seiten. (winkt ab) Auf Details will ich hier gar nicht eingehen; das ist auch höchst subjektiv und jeder sieht und empfindet das anders. In China kann man gut leben und arbeiten, man kann hier toll Karriere machen und -ehrlich gesagt- auch gutes Geld verdienen.
Für mich persönlich standen die guten Dingen immer im Vordergrund und ich fühle mich somit ganz wohl in China. Jedoch ist es für mich auch sehr wichtig das ich ab und zu Abstand bekomme – ich brauche die Abwechslung, das Neue. Ich fühle mich auch in anderen Ländern und Kulturen sehr wohl.
Und gibt es schon eine Idee für das nächste Abenteuer nach Deiner Zeit in Shanghai?
2013 bin ich mit einem alten chinesischen Changjiang Motorrad von Wuxi nach Tschechien gefahren. Aktuell bin ich mit meiner 18-jährigen Tochter von Deutschland nach Shanghai unterwegs. Diesmal aber auf zwei ganz neuen Suzuki V-Strom. Das reicht erst einmal an Abenteuer.
Was ich in drei bis fünf Jahren machen werde, kann ich heute wirklich noch nicht sagen. Wer weiß, was sich bis dahin ergibt. Aber ich werde bestimmt auch wieder eine interessante Reise planen.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde während Franks Reise durch die russischen Republiken geführt.
Hier einige Links zu Franks aktueller Reise.
Facebook – Updated daily
https://m.facebook.com/ajourneyoftwo
Suzuki Internet Homepage – Updated with different postings every 2-3 weeks – see news or travel channel (partly in setup)
https://news.suzuki.de/mit-der-vstrom-nach-china/
Zum ersten Mal mit Motorrad von Wuxi – Prag:
www.heubuch.tv