Das Spannendste, was ich bisher erlebt habe

Ralph Koppitz ist Jurist mit Schwerpunkt Arbeitsrecht und Corporate/M&A.  Von 1997 an arbeitete er fünf Jahre im Peking-Office einer der wichtigsten internationalen Kanzleien. 2002 wurde er Partner bei Taylor Wessing und leitet seither das Shanghai Büro der Sozietät.

Ralph studierte Rechtswissenschaften in München und ging 1995 das erste Mal im Rahmen seines Referendariats nach China. Als Stipendiat der ersten Runde wurde er Teilnehmer des Jahrgangs 1 von Sprache & Praxis in China.

Ralph ist verheiratet und lebt mit seiner chinesischen Frau und drei Kindern in Shanghai.

Als Vorstand des Alumni-Vereins engagiert er sich für die Weiterentwicklung des Programms und ist feste Größe im Programm der Stipendiaten vor Ort; sei es für Exkursionen oder auch den Austausch unter den Juristen.

 

Das Arbeitsleben in China muss Dich fasziniert haben, Ralph. Nach einer Referendarstation in einer der ersten ausländischen Kanzleien in China hast Du Mandarin gelernt und wolltest unbedingt dort anschließen. Sogar ein Angebot des Auswärtigen Amtes hast Du abgelehnt, um 1995 in Peking Dein Referendariat abzuleisten. Was macht die Faszination für Dich als deutschen Juristen im chinesischen Umfeld aus?

Meine damaligen Kolleginnen und Kollegen in Peking waren sehr stark beschäftigt. 1995 boomten die ausländischen Investitionen nach China, insbesondere in Form von ausländisch-chinesischen Joint Ventures. Diese sind naturgemäß komplex und verhandlungsintensiv. Mich faszinierte die Mischung aus Juristerei, sprachlichen und kulturellen Herausforderungen.

Und was erwartet junge Juristen heute im Reich der Mitte? Was macht es heute lohnenswert, nach China zu gehen?

Das Arbeitsumfeld hat sich verändert. Waren es in den ersten Jahren vor allem die ausländischen Investitionen nach China, so stellen heute chinesische Investitionen nach Europa ein ebenso wichtiges Betätigungsfeld dar. Es bestehen mit entsprechenden Sprachkenntnissen heute auch deutlich mehr Möglichkeiten in chinesischen Kanzleien zu arbeiten, ebenso wie in chinesischen privaten und staatlichen, und natürlich in ausländisch-investierten Betrieben.  Wer sich eine solche Tätigkeit für einen längeren Zeitraum vorstellen kann, für den kann China nach wie vor sehr spannende Karrieremöglichkeiten bieten. Eine Tätigkeit in China über ca. 2-3 Jahre hinaus macht es aber schwerer, in ein anderes Rechtsumfeld zurückzukehren.

Juristen sind eine feste Größe im S&P Programm. Sie stellen in der Regel zwei Stipendiaten pro Jahrgang und damit die größte Gruppe neben BWLern und Ingenieuren. Woran liegt das? Sind deutsche Juristen in China Mangelware oder gibt es andere Gründe?

Vielleicht zeichnen sich ein Teil der Juristen, ebenso wie aber auch bei Absolventen anderer Fachrichtungen, mit einem gewissen erhöhten Interesse an internationalen Beziehungen und sprachlichen Herausforderungen aus. Ein Auslandsaufenthalt verspricht manchmal auch höhere Chancen bei Bewerbungen im Inland und bestätigt die Flexibilität des Bewerbers.

In Deinem Artikel für die Jubiläumsbroschüre (siehe Downloads-Link am Ende des Artikels) liest man förmlich Deine Begeisterung für das pulsierende Leben in der Aufbruchsstimmung des ausgehenden Jahrtausends. Dein Jahrgang hat Geschichte live erlebt: den Tod Deng Xiao Pings, die Rückführung Hong Kongs an China und das furchtbare Bombenattentat in Xidan durch Extremisten aus Xinjiang. Die Stadt hat sich dramatisch verändert und China ist nicht mehr die riesige „grüne Wiese“ von damals. Was ist es heute, was den Einstieg nach China sinnvoll macht und warum braucht es S&P heute?

China und Deutschland, Deutschland und China werden weiterhin eng oder gar immer enger kooperieren. Dafür sprechen viele Argumente, wirtschaftliche aber durchaus auch kulturelle. Dafür sind aber auch in Zukunft Vermittler erforderlich, die sich sowohl im Geschäftsleben wie auch kulturell in beiden Staaten zu Hause fühlen. Die Teilnahme am S&P-Programm kann hierfür eine sehr gute Einstiegsmöglichkeit sein.

 

Du bist ein großer Unterstützer des Programms und einer derjenigen, der viele junge Graduierte für das Programm begeistert. Du bietest Netzwerk, lädst jeden Jahrgang zu einer Exkursion in Deine Kanzlei ein und bist nun auch Vorstand des Alumni-Vereins. Was gibt das Programm den aktuellen Stipendiaten mit?

Die Vorteile von „guanxi“ (Beziehungen) gelten meiner Meinung nach genauso außerhalb Chinas, bzw. für uns Ausländer

Die Vorteile von „guanxi“ (Beziehungen) gelten meiner Meinung nach genauso außerhalb Chinas, bzw. für uns Ausländer. Es mag unterschiedliche Ausprägungen geben, aber die Bedeutung persönlicher Netzwerke nimmt auch außerhalb Chinas weiter zu. Da S&P Programm und der Alumni-Verein schaffen neben der direkten Ausbildung zum China-Experten zusätzliche Möglichkeiten für die Teilnehmer, mit anderen an China Interessierten in Kontakt zu bleiben und bei Bedarf zu kooperieren. Gemeinsame Erfahrungen wie ein Sprachstudium an einer chinesischen Uni schweißen zusammen, machen Kontaktaufnahmen unkompliziert.

 

Wo siehst Du Juristen, die heute mit S&P ihre Karriere in China starten, morgen. Wo werden sie – analog zu Dir – in 20 Jahren stehen?

Ob ausländische Kanzleien auch in 20 Jahren noch dieselbe Rolle wie in der Vergangenheit spielen, bleibt abzuwarten. Vielleicht stehen Kolleginnen und Kollegen, die heute einsteigen, deshalb auch in 20 Jahren an anderer Stelle. Dazu kommen allgemeine Wandel bisheriger traditioneller Berufsbilder. Wer hätte vor 20 Jahren vermutet, dass ich mich heute z.B. mit der Automatisierung von Vertragsentwürfen beschäftigen würde. 1995 gab es zu Beginn noch nicht einmal eine E-Mail-Verbindung zwischen dem Pekinger Büro der Kanzlei und dem Mutterhaus in Deutschland; fast alles wurde noch per Fax abgewickelt (damals ein Riesenfortschritt gegenüber dem alten Telex). Insofern fällt es sehr schwer, sich die Veränderungen auszumalen. Sie werden vermutlich größer sein, als heute vorstellbar.

 

Und Du selbst? Ist China Deine Heimat geworden oder zieht es Dich irgendwann wieder nach Deutschland?

Trotz aller sehr positive Entwicklungen, gerade auch in Shanghai, erscheint es mir durchaus vorstellbar, nicht in China in die Rente zu gehen. Aber meine Frau und kennen auch eine wachsende Anzahl von Familien, die nach dem aktiven Berufsleben in China bleiben. Faktoren können z.B. Freundes- und Familienkreise  (z.B. Kinder, Eltern) an einem Ort sein, oder auch erwartete Schwierigkeiten, an anderen Orten wieder Fuß zu fassen. Deshalb bin ich hier mit meiner persönlichen Prognose vorsichtig. Aktuell macht die Tätigkeit in Shanghai als ausländischer Rechtsanwalt aber auch das Leben in dieser Metropole mir und der Familie weiterhin Spaß.

 

Mehr zu Ralph und seiner Erfahrung im Stipendium kannst Du im Artikel der Jubiläumsbroschüre “20 Jahre Sprache und Praxis in China” lesen:

SP Jubi_Ralph_Koppitz

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