Dirk ging zusammen mit 11 weiteren Stipendiaten 1998 nach Peking, um im Rahmen des DAAD-Stipendiums Sprache und Praxis in China für zwei Jahre in der VR China zu leben. Neben dem Sprachkurs an der Beijing Shifan Daxue verbrachte er die praktische Phase bei einem IT-Startup in Shanghai.
Nach dem Programm startete er seine berufliche Laufbahn bei Accenture, wo er bis heute internationale Unternehmen auf der ganzen Welt berät. Er ist diplomierter Mathematiker und unterbrach seine Beraterkarriere für einen Master an der Rotterdam School of Management.
Dirk, wie sieht Dein Resümee auf das S&P Stipendium aus?
Das Programm eröffnete mir kulturell eine völlig neue Welt. Meine Erlebnisse und Erfahrungen sowohl im Sprachstudium in Peking als auch in der Praxisphase in Shanghai möchte ich nicht missen. Hier konnte ich seinerzeit am Aufbau eines chinesischen Start-ups mitwirken. Nach dem Programm entschied ich mich für eine Beraterkarriere. Fast 20 Jahre nach S&P gehöre ich dem Top Management von Accenture an und berate weltweit Kunden bzgl. Firmenausgliederungen und -zusammenschlüssen. Ohne die sprachliche und kulturelle Sensibilisierung, die mir S&P zuteil werden ließ, wäre mein Karriereweg sicherlich steiniger geworden.
Und wie bist Du damals auf China gekommen?
Während meines Mathe-Studiums lernte ich bereits Chinesisch als Nebenfach und wollte meine Sprachkenntnisse unbedingt nach Abschluss meines Studiums vertiefen. 1996 besuchte ich China zum ersten Mal und verliebte mich sofort in dieses Land voller Kontraste und Gegensätze. Zurück in Deutschland wollte ich zügig mein Mathe-Studium abschließen und mich anschließend auf das Erlernen der chinesischen Sprache fokussieren. Da war das Stipendium Sprache und Praxis geradezu perfekt. Überdies gefiel mir die Kombination von Studium und Anwendung des Erlernten im Berufsalltag.
Das Stipendium prägt sicher nachhaltig. Wie hat es Dich verändert?
Die Zeit in dieser ganz eigenen Welt hat mich kulturell aufgeschlossener gemacht. Dann die Sprache natürlich. Dank dieser kann ich mich frei in der VR China bewegen. Nebenbei baute ich mir einen internationalen Freundeskreis auf. Und der Boost für den Lebenslauf war unverhofft, aber beeindruckend: Nach meiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2000 wurde ich von allen Firmen, bei denen ich mich bewarb, zu Gesprächen eingeladen und erhielt fast immer ein Angebot. 2003 erhielt ich die Zusage für mein MBA-Auslandssemester an der HKUST. 2013 beriet ich einen Firmenzusammenschluss in Japan. Trotz sprachlicher Hürden half mir meine China-Erfahrung, beide Parteien auf eine gemeinsame Zukunft einzuschwören.
Es ist die einzigartige Verbindung von Erlernen der chinesischen Sprache und Kultur vertieft durch die praktische Phase in einem Unternehmen in China, die das Programm so gut macht. Mir persönlich hat es sehr viel mitgegeben. Ich erlernte Chinesisch (schriftlich und mündlich). Ich arbeitete in einer chinesischen Firma und lernte mich auf internationalem Parket zu bewegen (z.B. Botschaftsempfänge, Konferenzen, Kaufmannschaftstreffen (u.a. mit dem Bundeskanzler)). Ich lernte ausserdem, die deutschen Tugenden mit den asiatischen zu verbinden. Im chinesischen Start-up etablierte ich deutsche Ordnung und Gründlichkeit, was unsere Kunden sehr schätzten. Im Gegenzug lernte ich, Verbesserungspotentiale für mein Gegenüber zu verpacken (d.h. indirekte Ansprache) bzw. nicht immer mit dem Kopf durch die Wand zu rennen.
Im chinesischen Start-up etablierte ich deutsche Ordnung und Gründlichkeit. Im Gegenzug lernte ich, nicht immer mit dem Kopf durch die Wand zu rennen.
Um es klar zu sagen: Die gesamten zwei Jahre möchte ich nicht missen!
Wem würdest Du SP China empfehlen und warum?
Internationale Projektteams oder die Entsendung ins Ausland sind mittlerweile Standard in vielen Firmen. S&P schult nicht nur die Beschäftigung mit der chinesischen Sprache und Kultur sondern hilft auch Herausforderungen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Daher empfehle ich S&P allen die sich für China ernsthaft interessieren und Ihren Horizont erweitern möchten. Studenten, die bereits ein Studium mit starkem Chinabezug durchlaufen, sollten genau prüfen, ob S&P der richtige Schritt für Ihre Karriere ist. Die Verbindung von fokussiertem Sprachstudium und praktischer Anwendung im beruflichen Alltag macht den besonderen Charakter, aber auch den großen Erfolg aus.
Und klar; man vermisst Deutschland hin und wieder. Aber selbst 1998 gab es dafür schon machbare Lösungen. Mir persönlich fehlten die Advents- und Weihnachtszeit, die Möglichkeit der direkten Ansprache von Kollegen bzgl. Verbesserungen und deutsches Brot. Ich habe meinen Weg dafür gefunden und verbrachte ich mein zweites Weihnachtsfest in Deutschland, gönnte mir alle sechs Monate eine Auszeit in einem „westlichen“ Land (z.B. Australien) und fand in einem Schweizer Hotel erschwingliches und köstliches deutsches Brot.
Neue Stipendiaten sollten mit Hoffnungen nach Peking reisen und Ihre Erwartungen in Deutschland lassen. Denn letztere werden mit großer Wahrscheinlichkeit enttäuscht. Peking hat sich in den vergangen 20 Jahren massiv verändert. Nichtsdestotrotz ist die Pressefreiheit immer noch stark eingeschränkt. Daher dauert das Aufrufen von internationalen Webseiten sehr lange oder funktioniert tageweise auch gar nicht. Die Luftverschmutzung hat merklich zugenommen, aber man kann sich damit arrangieren. Westliche Lebensmittel sind wesentlich einfacher zu erwerben. Insgesamt haben sich Lebenshaltungskosten merklich verteuert, sind aber immer noch günstiger als in Deutschland.
Aber erst einmal gilt es die Bewerbung zu meistern (schmunzelt). Das Stipendium begleitet mich auch ganz direkt noch – mittlerweile sitze ich selbst in der Auswahlkommission für neue Stipendiaten.
Und kannst Du als solcher Interessierten etwas für ihre Bewerbung mitgeben?
Meine Bewerbung hat seinerzeit ein erfahrener Sinologie-Professor, der selber in zahlreichen DAAD-Auswahlkommissionen saß, geprüft und Verbesserungspotentiale aufgezeigt. (nachdenkliche Pause; Anm. der Redaktion: Das Auswahlgespräch scheint einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben)
Wichtig ist, dass ein authentisches China-Interesse vom Bewerber aufgezeigt wird. Daher sollte viel Zeit in die Bewerbung investiert werden (Stichwort: Motivationsschreiben). Das Auswahlgespräch sollte ebenfalls gut vorbereitet und geübt werden. Es hat sich gezeigt, dass Bewerber mit prägnanten und gut formulierten Antworten bessere Chancen haben.
Vielleicht noch etwas Aufbauendes für Bewerber zum Abschluss?
Auf einer Geschäftsreise nach Henan erhielt ich die Möglichkeit, das Shaolin-Kloster zu besuchen und eine Kung-Fu-Darbietung zu sehen. Davon hatte ich bereits als Teenager geträumt. Die Körperbeherrschung der Mönche war unglaublich.