Olympia in Peking und ich mittendrin

Portraitfoto von Moritz HeidbuchelMoritz Heidbüchel studierte Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung. Er erhielt 2007 den Zuschlag für das DAAD-Stipendium Sprache und Praxis in China und ging mit dem Programm nach Peking. Während seiner Praxisphase bei Volkswagen erlebte er die Olympischen Spiele in Peking und die ungeheure Dynamik dieser Stadt im Vorfeld dieser.

Moritz kannte China bereits aus einem Studienaufenthalt und startete nach dem Programm in einer Kanzlei in Peking. Heute lebt er mit seinem Mann, den er in Peking kennenlernte, in Frankfurt. Als Rechtsanwalt einer internationalen Kanzlei berät er unter anderem auch chinesische Firmen.

 

 

Moritz, in Deinem Arbeitszimmer hängt ein beeindruckendes chinesisches Motiv; ein sehr symbolhaftes Pferd, dessen Energie sofort auf den Betrachter übergeht. Hat das Bild eine Geschichte?

Moritz HeidbuechelDas Bild hat mein Mann mir für mein Büro geschenkt. Es hat nimmt Bezug auf die chinesische Redewendung 馬到成功 (mǎ dào chénggōng), drückt also den Wunsch nach Erfolg aus. Es ist eine Reproduktion eines Bildes, das der Jesuitenpater Giuseppe Castiglione (郎世寧) für den Kaiser Qianlong (乾隆) gemalt hat. Castiglione hat im 18. Jahrhundert über 50 Jahre in China gelebt, so dass das Bild auch ein bisschen die Verbindung zwischen China und Europa symbolisiert.

 

China und insbesondere Peking hast Du im chinesischen Freudentaumel der Olympischen Spiele erlebt. Was hat diese Zeit den Chinesen mitgegeben und wie war es für Dich als Ausländer, diese Zeit mit zu erleben. Hast Du eine Geschichte/ Anekdote, die Du dazu teilen kannst?

Die Olympiade 2008 war ein Ereignis, das Peking sehr geprägt hat, alle Anstrengungen waren darauf gerichtet, dass Peking sich der Welt als moderne, gut organisierte und in viele Hinsicht vorbildliche Nation präsentiert. Bei meinem ersten Besuch in Peking 2001 stand zwar schon fest, dass Peking Austragungsort der olympischen Spiele werden würde, aber, gerade im vergleich zu Shanghai, wo ich damals an der Uni war, wirkte Peking noch deutlich weniger modern und international. Im Jahr 2008 hatte Peking hier ganz deutlich aufgeholt und neben Olympiastadion und „Water Cube“ auch das damals ganz neue Terminal 3 des Flughafens eröffnet. Teilweise war das Bemühen um einen perfekten Außenauftritt auch ins Komische übertrieben, z.B. als kurz vor der Eröffnungsfeier in Peking aus Sicherheitsgründen keine Messer mehr verkauft wurden. Am schönsten war damals das Wetter, das während der ganzen Zeit der Olympiade mit blauem Himmel und Sonnenschein glänzte. Das habe ich so seitdem in Peking nicht mehr erlebt.

 

Wie lief Dein Stipendium und was passierte danach?

Ich war bereits als Rechtsanwalt zugelassen und konnte aufgrund eines Studienaufenthalts in Shanghai bereits etwas Chinesisch, als ich 2007 an der Beijing Foreign Studies University in das Sprache-&-Praxis-Programm gestartet bin. Die Olympischen Spiele in Peking im Jahr 2008 fielen in die Praxisphase meiner Stipendienzeit. In Vorbereitung auf dieses für China damals sehr wichtige Ereignis hat sich in Peking sehr viel verändert. Das konnten wir vor Ort erleben: Wie vorhin schon gesagt: Neue Straßen, neue U-Bahn-Linien, neue Gebäude. Während der Spiele war ich zudem bei Volkswagen, einem der wesentlichen Sponsoren der Olympischen Spiele, tätig, was mir zusätzliche Einblicke ermöglicht hat.

Anstehen auf Chinesisch

Im Anschluss an das Programm habe ich unmittelbar eine Stelle in einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei in Peking gefunden, habe aber zunächst noch einige Zeit in deren Münchener Büro gearbeitet, um die Zulassungsvoraussetzungen als “Registered Foreign Lawyer” in China zu erfüllen. Meine Tätigkeit als Rechtsanwalt umfasste dabei vor allem gesellschafts-, handels- und arbeitsrechtliche Fragen für meist deutsche Unternehmen. In meiner Zeit in Peking wurden z.B. alle ausländischen Mitarbeiter in chinesischen Unternehmen in China grundsätzlich sozialversicherungspflichtig, was ein interessantes Tätigkeitsfeld mit anfänglich vielen unklaren Regelungen war.

Nach einiger Zeit in Peking bin ich dann wieder nach Deutschland zurückgekehrt und berate, zunächst von München und jetzt von Frankfurt aus, vornehmlich Immobilientransaktionen für internationale Investoren und Immobilienentwickler sowie größere Finanzierungen und Joint-Ventures in diesem Bereich.

 

Was hat Dich dazu bewegt, Dich für das Stipendium zu bewerben?

Durch einen Studienaufenthalt in Shanghai im Studienjahr 2001/2002 und die Wahlstation meines juristischen Referendariats im Jahr 2007 in Shanghai hatte ich China schon in einigen Facetten kennengelernt. Ich fand das Land sehr interessant. Durch das Sprache-&-Praxis-in-China-Programm des DAAD wollte ich meine Sprachkenntnisse verbessern und auf ein “arbeitsfähiges” Niveau heben. Die Förderung durch das Stipendium war so gut, dass es mir durchaus attraktiv erschien, mir die anderthalbjährige “Auszeit” von der üblichen Karriere zu gönnen.

Mein ursprüngliche Interesse an China entsprang einer von mir vermuteten Exotik dieses Landes. Nach China bin ich immer wieder zurückgekehrt, weil ich das Land als sehr vielseitig erlebt habe und immer den Eindruck hatte – und noch immer habe – das mir in China viele Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung offenstehen. Auch wenn diese Möglichkeiten vielleicht in gleicher Weise in Deutschland und Europa bestehen, wirkt die anfänglich vielleicht etwas fremde Umgebung als Katalysator und lässt die Möglichkeiten stärker in den Vordergrund treten.

 

Du kanntest China schon. Hast Du das Stipendium überhaupt noch gebraucht?

Die chinesische Sprache zu lernen ist zwar nicht so schwierig, wie es auf den ersten Blick scheint, aber ganz einfach ist es auch nicht. Ein kürzeres Programm wäre wahrscheinlich nicht ausreichend gewesen, um mein Ziel eines “arbeitsfähigen” Chinesisch-Niveaus zu erreichen.

Der Rahmen des Stipendienprogramms mit Alumni-Netzwerk und dem Begleitprogramm ist enorm hilfreich. Für mich hatte das einen ganz konkreten persönlichen Nutzen. So bin ich an meine Stelle für die Praxisphase des Programms durch das S&P-Alumninetzwerk in Peking gekommen.

Na ja, und durch meinen Studienaufenthalt in China kannte ich das Land schon etwas. Das Sprache-&-Praxis-Programm hat meinen Blick dennoch sehr erweitert. Nicht nur der Ortswechsel von Shanghai nach Peking, sondern auch die Veränderung von einem reinen Studienaufenthalt zu einer deutlich mehr beruflich geprägten Position hat mich ganz andere Seiten des Landes erfahren lassen.

 

Hat die Zeit des Stipendiums Dir etwas mitgeben können?

Unbedingt! Durch das Stipendium habe ich viele interessante Menschen kennengelernt. Unser Jahrgang war schon eine sehr bunte Mischung von Personen mit unterschiedlichem fachlichem und persönlichem Hintergrund. Und dann die unzähligen Kontakte mit Alumni des Programms und die Begegnungen mit Unternehmensvertretern bei unseren Firmenbesuchen und Exkursionsreisen nach Shanghai, Ningbo und Chongqing.

Drei Elemente machen das Programm so wertvoll: 1. die Verknüpfung von Sprache und Praxis, 2. Zeit für die Sprache, 3. das Netzwerk

 

Aus meiner Sicht gibt es drei wesentliche Elemente, die besonders für das Sprache-und-Praxis-Programm des DAAD sprechen: 1. Die Verknüpfung von Sprache und Praxis. Damit ist das Programm gezielt auf Graduierte und junge Berufseinsteiger, also Young Professionals, ausgerichtet. Diese Konstellation allein gibt dem Programm einem deutlich anderen Charakter als einem reinen Sprachkurs. 2. Zeit für die Sprache haben. Die Möglichkeit, sich ein Jahr lang auf das Chinesisch-Lernen konzentrieren zu können, ohne sich um die Finanzierung Gedanken machen zu müssen, ist unheimlich wertvoll. 3. Das Netzwerk. Die Vielfalt der Kontakte, die durch das Programm, orts- und professions-übergreifend, geknüpft werden können.

Ich empfehle das Programm jedem, der Interesse an China hat und auch jedem, der sich noch nicht sicher ist, ob er oder sie vielleicht länger in China leben oder arbeiten möchte. Es kann natürlich auch strategisch sinnvoll sein, sich besondere Kenntnisse im Hinblick auf China anzueignen; jedenfalls war die Teilnahme an dem Programm für mich eine enorme persönliche Bereicherung.

 

Jetzt mal ganz ehrlich: Muss man sich auf Entbehrungen einstellen?

Jiaozi (餃子) – chinesische Teigtäschchen; heutzutage auch optisch ein Hingucker

2001 habe ich noch Schokolade und Käse vermisst. Aber ganz ehrlich; heute gibt es in Peking praktisch alles! Man muß auf solche Dinge nicht mehr verzichten.

Klar ist aber auch vieles anders und in China gehört manches nicht in gleicher Weise zum Alltag wie in Europa. Ich finde es bereichernd, wenn man sich darauf auch einlässt. Probiert es einfach aus!

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