Die Fabrik der Welt mitgestalten

Christoph Yew ist Diplom-Kaufmann und Musikwissenschaftler (Magister Artium). Mit dem DAAD-Stipendium Sprache und Praxis in China ging er 2009 mit dem Jahrgang 14 in das Reich der Mitte.  Sein Praktikum im Rahmen des Programms absolvierte er im chinesischen Representative Office der Deutschen Börse.

Nach dem Stipendium wechselte Christoph in den Bereich E-Commerce. Er arbeitete zunächst in einem chinesischen Start-Up, dann im Vertrieb bei Anker in Hunan. Nach dieser Station wurde er selbst mit einer eigenen Elektronikmarke geschäftlich tätig. Inzwischen ist er in Shenzhen gelandet und bei TCL / Alcatel für den Bereich Marketing zuständig.

In seiner Freizeit ist Christoph im Bereich der darstellenden Künste als Regisseur, Darsteller, Pianist und Workshopleiter tätig und konnte bereits Preise bei lokalen Theaterfestivals mit eigenen Werken gewinnen.

 

Christoph, was hat Dich dazu bewegt, Dich für das Stipendium zu bewerben?

Ich hatte während meines Studiums bereits bereits immer nebenher Chinesisch gelernt und war nach meinem Abschluss auf der Suche nach Möglichkeiten, meine berufliche Karriere in China zu starten. China sollte es auf jeden Fall sein. Das Stipendium passte wie die Faust aufs Auge, um einen optimalen Einstieg in China zu gewährleisten.

Am Reich der Mitte hat mich besonders gereizt, dass es ein Land ist, welches sich immer noch in einem rasenden Tempo entwickelt. Im Bereich Technologie hat sich der Abstand zum Westen extrem verringert und in einigen Branchen hat China bereits die Nase vorn. Allerdings ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Gesellschaft an diese Veränderungen anpasst, wesentlich langsamer. Gerade dieser Prozess macht China in meinen Augen unglaublich spannend. China wird niemals langweilig. Es gibt viele Felder, in denen man anpacken kann.

 

Wenn Dein Chinesisch schon gut war, hast Du dann noch etwas aus dem Stipendium mitnehmen können?

Auf jeden Fall. Auch für mich, dessen Chinesisch schon zu Beginn des Stipendiums fließend war, gab es Kurse in einem Niveau, in denen ich noch etwas lernen konnte. Ich vertiefte meine Fähigkeiten zudem in Debattierwettbewerben und bei diversen anderen universitären Aktivitäten auch über den Sprachkurs hinaus.

Hilfreich war außerdem das Rahmenprogramm des Stipendiums. Während der Zeit an der Uni gab es eine große Anzahl von Firmenbesuchen, die der DAAD für unsere Gruppe organisierte. Hier konnte ich meine Praktikumsstelle im Representative Office der Deutschen Börse sichern.

China ist ein Land voller Möglichkeiten und so stand ich auch nach dem Stipendium wieder vor der Wahl. Der Bereich E-Commerce interessierte mich sehr. So ging ich zunächst zu einem Startup, welches eine Immobilien-Suchmaschine für den chinesischen Markt entwickelte. Nach dieser Station bin ich 2012 von Beijing nach Changsha, Hunan, gezogen, um bei Anker anzuheuern. Ich habe dort verschiedene Vertriebspositionen durchlaufen und durfte einen der erfolgreichsten Amazon Seller begleiten, wie er sich von einem Startup zu einem Global Player entwickelte. Das war eine unheimlich spannende Zeit, in der ich viel gelernt habe.

Angefixt von der Idee, es selber zu probieren, habe ich nach gut drei Jahren bei Anker dann meinen Traum wahr gemacht. Mit Askborg habe ich 2016 meine eigene Elektronik-Marke auf den Markt gebracht. Mittlerweile bin ich weitergezogen; die geringen Margen und die extrem gewachsene Konkurrenz sind unglaublich. Mein Know-How bringe ich jetzt bei TCL/Alcatel ein. Ich habe also wieder bei einem Großunternehmen angeheuert. 

 

Wem würdest Du SP China empfehlen und warum?

Man braucht eine gute Portion Neugier und Offenheit, um das Beste aus dem Stipendium mitnehmen zu können.

China ist nicht einfach und China ist auch nichts für jeden. Wer einen sanften Einstieg in die hiesige Kultur und das Leben sucht, für den ist das Programm auf jeden Fall zu empfehlen. Nichtsdestotrotz braucht man eine gute Portion Neugier und Offenheit, um das Beste aus dem Stipendium mitnehmen zu können.

Viele Sachen laufen sehr anders ab als in Deutschland. Wer jemals die Gelegenheit gehabt hat, einen “Facejob”* für ein chinesisches Unternehmen zu machen, sollte dies ausprobieren.

Auf der anderen Seite ist das Stipendium natürlich auch für solche Kandidaten interessant, welche ihren Lebenslauf noch um eine Auslandsstation in China, idealerweise bei einem DAX Unternehmen, „pimpen“ wollen. Das hat auch seine Berechtigung.

 

Was unterscheidet uns Deutsche in der Arbeitsweise von Chinesen?

Was die Businesskultur angeht, habe ich festgestellt, dass Chinesen eher nach dem Motto „Trial and Error“ vorgehen. Es wird etwas gemacht, wenn es klappt, dann wird es wiederholt. Wenn es nicht klappt, dann wird angepasst. Diese Vorgehensweise ist gepaart mit einer extrem kurzfristigen Denkweise. Die Jagd nach dem schnellen Geld dominiert.

Diese beiden Aspekte stehen im krassen Unterschied zur Herangehensweise, wie wir sie in Deutschland kennen und sie für uns typisch ist. Im Laufe meiner Stationen bei chinesischen Unternehmen musste ich lernen, diesen Gegensatz unter einen Hut zu bringen.

Mittlerweile sehe ich mich zwischen den beiden Kulturen und weiß beide Herangehensweisen zu schätzen.

 

Hast Du noch einen Tipp für angehende Stipendiaten?

Dashanzi Art District

Ja, unbedingt. Mir fiel auf, dass wir Stipendiaten während der Praxisphase häufig den Fokus auf deutsche Großunternehmen im Raum Beijing oder Shanghai haben. Es lohnt sich jedoch durchaus, einen Blick über diesen Tellerrand hinaus zu werfen. Eine große Anzahl chinesischer Unternehmen ist sehr auf Talente mit internationalem Background angewiesen. Die Erfahrungen, die man in einem solchen Umfeld machen kann, werden einen ein Leben lang begleiten.

Auch hast Du in solchen Unternehmen einen sehr hohen Impact Faktor. Du bist hier bei Projekten mit Auslandsbezug oft der beste und einzige Ansprechpartner und Dir wird schnell eine große Verantwortung übergeben. Wer die ultimative China-Erfahrung will, sollte daher unbedingt auch in den Städten außerhalb von BeiShangGuangShen suchen.  Wenn Du eine Weile mit begrenztem internationalem Umfeld und Netzwerk auskommen kannst, solltest Du das in Betracht ziehen.

*  Facejob
Gemeint sind Jobs, bei denen ein chinesisches Unternehmen einen Ausländer anheuert, um die Internationalität des Unternehmen zu pimpen.
Hier kannst Du einen interessanten Erfahrungsbericht zu diesem Phänomen lesen:

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert