Als diplomierter Volkswirt ging Andreas Fruhmann 2006 mit dem Stipendium SP nach China. Mit seinem Praktikum bei BayerMaterialscience in Peking begann er auch seine Karriere beim deutschen Hersteller von Hightech-Polymeren. Verschiedene Stationen des heute als Covestro firmierenden Unternehmens führten ihn nach Leverkusen, Shanghai und Mumbai/Indien.
Seit 2015 leitet er das Business Controlling des Unternehmensbereiches Polycarbonates in Shanghai, wo er mit seiner chinesischen Frau und seinem Sohn lebt.
Was hat Dich nach China gebracht, Andreas? War es die Faszination des Unbekannten?
Nun, meine Grundmotivation lag eher darin, dass Bekannte zu wahren. Mit dem Start in das unbekannte Land wollte ich meiner damaligen Partnerin nach Asien folgen. Eine gute Portion Abenteuerlust war allerdings auch dabei. Nach zwei Jahren im Beruf kam die Gelegenheit gerade richtig, denn mein Wunsch war groß, nochmal etwas zu erleben. China bietet hier eine perfekte Spielwiese: Dass es ein Entwicklungsland ist – ich hatte noch nie in einem gelebt. Die Bedeutung des Landes für die Welt – das war schon 2006 nicht mehr zu übersehen. Die intellektuelle Herausforderung durch die Sprache und die bis dahin noch eher fremde chinesische/asiatische Kultur. Das sind so viele unterschiedliche und positive Faktoren, wie es sonst in keinem Land gibt.
Wurde die Abenteuerlust belohnt und hat Dich die Liebe zu China dann doch noch erfaßt?
Unbedingt. (antwortet schmunzelnd) Die Liebe zu Land und Leuten. Mit meiner chinesischen Frau und meinem Sohn lebe ich seit mehr als 10 Jahren hier. Nach Stationen in Deutschland und Indien leben wir derzeit in Shanghai. Ich leite bei Covestro ein internationales Controlling-Team des globalen Headquarters meines Geschäftsbereichs in Shanghai. Ich bin zufrieden mit meinem Leben im Reich der Mitte. Irgendwann stellte ich fest, dass ich auf Deutschlandreisen das gute chinesische Essen vermisse. Das kann ich wohl als Zeichen werten, daß die Liebe zu China mich erfaßt hat.
Was war der Grund, daß Du Dich für das vergleichsweise lange Stipendienprogramm Sprache und Praxis entschieden hast?
Die Vielfalt und der Umfang der gebotenen Unterstützung durch das Programm haben mich seinerzeit begeistert. Für die Herausforderungen, die die Fremdartigkeit des Landes mit sich bringt, schien es mir geeignet. Das Programm ließ erkennen, dass es einen tiefergehenden Einblick in das Leben in China vermittelt und bot mit Sprache und Praktikum ein rundes Paket. Und in der Tat wird durch die Dauer des Programmes der „mentale Anker gelichtet“, es stellt eine echte Weiche und Neuorientierung dar. Das kann ich aus persönlicher Erfahrung bestätigen.
Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Ich bin immer noch beeindruckt über das erreichte Sprachlevel in der relativ kurzen Zeit. Darüber hinaus sind allerdings auch andere Dinge wertvoll. Über die Stipendiaten und Alumni bildet ich Zugang auf ein großes Netzwerk „Gleichgesinnter“ in China und Deutschland, welches sich stabil hält. Wer einmal China lieben gelernt hat, den läßt es nicht mehr los. Und noch etwas charakterisiert das Stipendium für mich noch: Der im Leben seltene Luxus in gewissem Umfang einmal „Zeit und Geld“ zu haben.
Wie hat Dich SP verändert? Um welche Erfahrung hat Dich das Stipendium reicher gemacht?
Diese Frage werde ich bei nächster Gelegenheit meinem Umfeld stellen. (lacht und überlegt laut) Aber ich denke, ich bin deutlich ruhiger geworden, seit ich in China bin. Sensibler für indirekte Kommunikation; weniger regelgläubig, deutlich spontaner und flexibler. So läßt es sich gut beschreiben. Nun, das ist das natürlich nicht ausschließlich dem Stipendium zuzuschreiben, sondern auch den folgenden Jahren in China und Asien. Auf jeden Fall war das Stipendium hierzu der Startpunkt und eine gute Schule.
Die herzliche Offenheit der Pekinger, die Unbedarftheit der chinesischen Bachelorstudenten an der Beiwai Universität, die zahlreichen Reisen durchs Land mit den einhergehenden positiven wie negativen Erfahrungen, das emotionale Auf und Ab in der fremden Umgebung und das Mitwirken an verschiedensten Events, zu denen ich nur durch meine Identität als (vielleicht auch chinesisch sprechender) Ausländer kam, zum Beispiel Fernsehshows, Werbeaufnahmen, Messen etc.
Die herzliche Offenheit der Pekinger und die Unbedarftheit der chinesischen Bachelorstudenten an der Beiwai haben mich geprägt und inspiriert. Ebenso die zahlreichen Reisen durchs Land und die damit einhergehenden positiven wie negativen Erfahrungen. Das emotionale Auf und Ab in einer fremden Umgebung ist eine wertvolle Erfahrung. Und ich erinnere mich gern an das Mitwirken an verschiedensten Events, zu denen ich nur durch meine Identität als (vielleicht auch chinesisch sprechender) Ausländer kam, zum Beispiel in Fernsehshows, bei Werbeaufnahmen oder auf Messen. All das sind Erfahrungen, die mich positiv geprägt haben und die wertvoll sind.
Mein Praktikum fand bei einem kleinen Ableger von Bayer am Stadtrand von Peking statt, wo ich als Assistent der Geschäftsführung tätig war. Ich hatte mich für die Stelle entschieden, da sie Inhalte etwas fernab des typischen Praktikantenjobs bot, mit Erfahrungen aus erster Hand in einem deutsch-chinesischen JV inklusive der üblichen Konflikte. Das war ein sehr lokales Setup. Kein Ausländer weit und breit an meinem Wohnort bzw. am Unternehmenssitz und mein Wohnort, die Kollegen konnten größtenteils Englisch. Hierbei haben mir meine Sprach- und auch meine kulturellen Kenntnisse massiv den Einstieg erleichtert und ich konnte sie massiv ausbauen. Letztendlich haben sie mir Akzeptanz bei chinesischen Kollegen, unseren Kunden und Lieferanten verschafft. Für einen Auslaender war das praktisch schon ein Alleinstellungsmerkmal. Das hat sich schnell herumgesprochen und ich habe eine gewisse, durchaus hilfreiche, Sichtbarkeit auch außerhalb des Pekinger Standorts bekommen.
Noch ein abschließender Kommentar von Dir zum Stipendium, Andreas!
Wer ein echtes Interesse an China und seiner Sprache hat, dem empfehle ich dieses Stipendium. Reine Karriereüberlegungen reichen als Motivation nicht aus.
Und nach dem Stipendium ist es nicht zu Ende: Ich bin Mitglied in einer S&P WeChat Gruppe und nehme immer wieder gerne an Jubiläumsfeiern, gelegentlich Alumnitreffen oder anderen SP-Veranstaltungen in China teil. SPler bleibt man sein Leben lang.
